Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement

Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) beginnt mit einer Vorschrift zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern. Die Regelungen gelten für juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (z.B. GmbH & Co. KG).

 

Überwachungspflicht

§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StaRUG verpflichtet Geschäftsleiter (z.B. Geschäftsführer, Vorstände) haftungsbeschränkter Unternehmensträger, fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand des Unternehmens gefährden können, zu wachen. Diese Pflicht wurde Geschäftsleitern bereits vor dem Inkrafttreten des StaRUG auferlegt (z.B. in § 91 Abs. 2 AktG - die Pflicht wurde auf andere Rechtsformen als die Aktiengesellschaft ausgedehnt).

Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die konkrete Ausformung und Reichweite der Pflicht zur Krisenfrüherkennung von der Größe, Branche, Struktur und auch der Rechtsform des jeweiligen Unternehmens abhängig (Morgen, 2. Aufl. 2022, StaRUG, § 1 Rn. 15). Den Geschäftsleitern steht bei der konkreten Ausgestaltung ein unternehmerischer Ermessensspielraum zu, wobei der Planungszeitraum zwei Jahre umfassen sollte (vgl. Morgen, 2. Aufl. 2022, StaRUG, § 1 Rn. 16; Pannen/Riedemann/Smid/Weitzmann, 1. Aufl. 2021, StaRUG, § 1 Rn. 32).

Bestandsgefährdende Entwicklungen müssen nicht einem typischen Krisenstadium (Stakeholder-, Strategie-, Produkt-/Absatz-, Ertrags- und Liquiditätskrise) zugeordnet werden können oder gar einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (drohende Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) darstellen. Existenzgefährdende Entwicklungen können bereits viel früher einsetzen - und § 1 StaRUG möchte hier ansetzen. Geschäftsleiter sollen sich möglichst früh mit solchen Umständen auseinandersetzen - wächst doch mit zunehmender Vertiefung der Krise der Handlungsdruck bei gleichzeitig schwindenden Handlungsmöglichkeiten.

 

Pflicht zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen

Erkennen Geschäftsleiter bestandsgefährdende Entwicklungen, sind sie nach § 1 Abs. 1 S. 2 StaRUG verpflichtet, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Berühren die zu ergreifenden Maßnahmen die Zuständigkeiten anderer Organe, haben die Geschäftsleiter gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 StaRUG unverzüglich auf deren Befassung hinzuwirken.

 

Berichtspflicht

Neben der Einleitung geeigneter Gegenmaßnahmen sind die Geschäftsleiter nach § 1 Abs. 1 S. 2 StaRUG verpflichtet, den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen, z.B. Aufsrichtsrat) unverzüglich Bericht zu erstatten.

 

Empfehlung

Geschäftsleitern - auch und insbesondere von kleinen und mittelständischen Unternehmen - ist zu raten, ein von § 1 StaRUG gefordertes Krisenfrüherkennungs- und -managementsystem einzuführen und zu pflegen. Dieses sollte wenigstens die regelmäßige Überwachung des Unternehmens (z.B. mittels Kennzahlenanalyse zur Erfolgs- und Finanzlage aus laufender Buchführung), eine Auseinandersetzung mit wesentlichen (potenziellen) Risiken (ausgehend von Kunden, Lieferanten, Kapitalgebern, Eigentümern, Organen, Mitarbeitern, Rechteinhabern, Wettbewerbern etc.) und eine Dokumentation hierüber umfassen. Sofern Risiken erkannt werden, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, sich mit ihnen zu beschäftigen, Gegenmaßnahmen einzuleiten und Überwachungsorgane zu informieren. Anderenfalls machen Geschäftsleiter sich schadenersatzpflichtig.

Bei der Einführung und Pflege eines Krisenfrüherkennungs- und -managementsystems dürften vor allem Steuerberater behilflich sein können. Für diese besteht bereits seit dem Urteil des BGH vom 26.01.2017 unter anderem die Verpflichtung, ihre Mandanten auf einen Insolvenzeröffnungsgrund hinzuweisen. § 102 StaRUG verankert diese Hinweis- und Warnpflichten nun im Gesetz. Danach haben Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte bei der Erstellung eines Jahresabschlusses den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.

Das Urteil des BGH vom 26.01.2017 geht allerdings über die Pflichten nach § 102 StaRUG hinaus. Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist bei der Bewertung der Vermögensgegenstände von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Der Steuerberater als Abschlussersteller hat auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände eine Prüfungs-, Hinweis- und Mitwirkungspflicht. Er muss überlegen, ob existenzgefährdende Umstände vorhanden sind, etwaigen Zweifeln nachgehen und den Mandanten auf diese Zweifel und eine etwaige notwendige Überprüfung konkret und detailliert hinweisen - der Weg zu einem Krisenfrüherkennungs- und -managementsystem ist damit bereits eingeschlagen.

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