Ausgewählte Änderungen im Insolvenzrecht

Bei den im Dezember 2020 beschlossenen Änderungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht handelt es sich um die Umfangreichsten seit Einführung der Insolvenzordnung. Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der erfolgten Änderungen.

A. Änderungsgesetze

  • Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz - PKoFoG)
  • Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht
  • Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 (KostRÄG 2021)
  • Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz - SanInsFoG)
  • Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht

B. Änderungen Kosten / Vergütung

I. Gerichtskosten

  • Änderungen gelten ab 01.01.2021
    • Für Insolvenzantragsverfahren Antragstellung maßgeblich, §§ 71 Abs. 3, 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GKG
    • Für Insolvenzverfahren Eröffnung maßgeblich, §§ 71 Abs. 3, 6 Abs. 2 GKG
  • § 3 GKG i.V.m. Anlage 1 (Kostenverzeichnis), insbesondere:
    • Nr. 2311 - Insolvenzantragsverfahren bei Gläubigerantrag: mind. 198 €
    • Nr. 2340 - Prüfungsgebühr Nachmeldung: 22 € (Bestimmung besonderer Prüfungstermin bzw. Anordnung der Prüfung im schriftlichen Verfahren maßgeblich, § 6 Abs. 2 GKG)
  • § 34 GKG i.V.m. Anlage 2 (Wertgebühren, Gebührentabelle)
  • Berechnungsgrundlage bei Betriebsfortführungen: nur Überschuss, § 58 Abs. 1 S. 3, 4 GKG

II. Gutachten

  • Änderungen gelten ab 01.01.2021; Auftrag an Sachverständigen maßgeblich, § 24 S. 1 JVEG
  • Isolierter Gutachter: 120 €, § 9 Abs. 4 S. 1 JVEG
  • Gutachter ist zugleich vorläufiger Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter: 95 €, § 9 Abs. 4 S. 2 JVEG
  • Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen können pauschal mit 20 Prozent des Honorars, maximal 15 €, angesetzt werden, § 12 Abs. 1 Nr. 5 JVEG

III. Insolvenzverwaltervergütung

  • Änderungen gelten ab 01.01.2021; Antragstellung maßgeblich, § 19 Abs. 5 InsVV
  • Regelsätze und Mindestvergütungen, §§ 2, 13, 14 InsVV
  • Für die Übertragung der Zustellungen i.S.d. § 8 Abs. 3 InsO gilt Nr. 9002 des Kostenverzeichnisses zum GKG (Anlage 1) entsprechend (Pauschale i.H.v. 3,50 €), § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV
  • Beschränkung der Auslagenpauschale (Insolvenzverwaltung) auf 350 € je angefangenem Monat, § 8 Abs. 3 S. 1 InsVV
  • Beschränkung der Auslagenpauschale (Sachwaltung) auf 175 € je angefangenem Monat, § 12 Abs. 3 InsVV
  • Vergütung des vorläufigen Sachwalters nunmehr in § 12a InsVV geregelt
  • Vergütung für Gläubigerausschussmitglieder beträgt i.d.R. zwischen 50 und 300 € je Stunde, § 17 Abs. 1 S. 1 InsVV

C. Änderungen Insolvenzrecht

I. Änderungen ab 01.10.2020, Antragstellung maßgeblich, Art. 103k Abs. 1 EGInsO

1. Abtretungsfrist / Dauer RSB-Verfahren

  • Grundsatz: drei Jahre (voraussetzungslos), § 287 Abs. 2 S. 1 InsO
  • Ausnahme
    • RSB in Erstverfahren nach neuem Recht (Antrag ab 01.10.2020) erteilt
      > Abtretungsfrist in Zweitverfahren fünf Jahre, § 287 Abs. 2 S. 2 InsO
  • Achtung: Überleitungsvorschrift für Insolvenzanträge zwischen dem 17.12.2019 und 30.09.2020, Art. 103k Abs. 2 S. 1 EGInsO
  • Zusammenfassung
    • Antrag bis 16.12.2019: sechs Jahre (Verkürzungsmöglichkeiten)
    • Antrag zwischen 17.12.2019 und 30.09.2020: Übergangsregelung (Verkürzungsmöglichkeiten)
    • Antrag ab 01.10.2020: drei Jahre (grds. keine Verkürzungsmöglichkeiten)

2. Obliegenheiten des Schuldners

  • § 295 S. 1 Nr. 2 InsO
    • Erbschaft und Schenkung: zur Hälfte
    • Gewinnspiel: vollständig
  • § 295 S. 1 Nr. 5 InsO
    • Keine unangemessenen Verbindlichkeiten begründen

II. Änderungen ab 31.12.2020, Antragstellung maßgeblich, Art. 103l EGInsO

Obliegenheiten des Schuldners

  • Obliegenheiten des Schuldners bei selbständiger Tätigkeit nunmehr in § 295a InsO geregelt
  • Zahlungen sind kalenderjährlich bis zum 31.01. des Folgejahres zu leisten, § 295a Abs. 1 S. 1 InsO
  • Bezüge aus angemessenem Dienstverhältnis für Berechnung der fiktiv pfändbaren Beträge gerichtlich feststellbar, § 295a Abs. 2 S. 1 InsO

III. Änderungen ab 01.01.2021, Antragstellung maßgeblich, Art. 103m EGInsO

1. Insolvenzantragspflicht

  • Bekannt
    • Grundsatz: unverzüglich
    • Spätestens: drei Wochen nach Zahlungsunfähigkeit
  • Neu
    • Spätestens: sechs Wochen nach Überschuldung, § 15a Abs. 1 S. 2

2. Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit & Überschuldung

  • Zahlungsverbot, Ausnahmen und Rechtsfolgen nunmehr einheitlich in § 15b InsO geregelt (anstatt im GmbHG, AktG etc.)

3. Eröffnungsgründe

  • Bei drohender Zahlungsunfähigkeit ist in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen, § 18 Abs. 2 S. 2 InsO
  • Bei Überschuldung: Fortführungsprognose für die nächsten zwölf Monate, § 19 Abs. 2 S. 1 InsO
    • Fortführungsprognose für die nächsten vier Monate zwischen dem 01.01.2021 und 31.12.2021, wenn die Überschuldung auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist, § 4 S. 1 COVInsAG

4. § 55 Abs. 4 InsO

  • Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis konkretisiert; v.a.:
    • Umsatzsteuer
    • Lohnsteuer
    • Kfz-Steuer
    • Bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern (Alkoholsteuer, Biersteuer, Energiesteuer, Kaffeesteuer, Stromsteuer, Tabaksteuer etc.)
  • Anwendbarkeit auf vorläufige Eigenverwaltung erweitert

5. Insolvenzplan

  • Möglichkeit der Einbeziehung gruppeninterner Drittsicherheiten, §§ 217 Abs. 2, 223a InsO
  • Verpflichtung zur Vergleichsrechnung, § 220 Abs. 2 S. 2 InsO
  • Vermutungen i.R.d. Schlechterstellungsprüfung bei natürlichen Personen, § 245a InsO

6. Eigenverwaltung

  • Eigenverwaltungsplanung und Erklärungen als Antragsvoraussetzung, § 270a InsO
  • Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren grds. nur für im Finanzplan berücksichtigte Verbindlichkeiten, § 270c Abs. 4 InsO
  • Regelung der Aufhebung der vorläufigen Eigenverwaltung, § 270e InsO
  • Zustimmungserfordernis des vorläufigen Sachwalters bei Veränderungen in der Geschäftsleitung, § 276a Abs. 1, 3 InsO
  • Haftung der Organe nach Maßgabe der §§ 60-62 InsO, § 276a Abs. 2, 3 InsO
  • Regelung der Aufhebung der Eigenverwaltung, § 272 Abs. 1 InsO

7. Gläubigerinformationssystem (GIS)

  • Verpflichtende Nutzung von GIS in Verfahren mit obligatorischem vorläufigen Gläubigerausschuss, §§ 5 Abs. 5 S. 2, 22a Abs. 1 InsO
    • Mind. zwei der drei Merkmale des § 22a Abs. 1 InsO im vergangenen Geschäftsjahr
      • 6 Mio. € Bilanzsumme
      • 12 Mio. € Umsatz
      • 50 Arbeitnehmer
    • Entscheidungen des Insolvenzgerichts und Berichte des Insolvenzverwalters müssen in diesen Verfahren unverzüglich eingestellt werden

IV. Änderungen ab 01.08.2021

Berechnung pfändbare Beträge

  • Berechnung der pfändbaren Beträge wird ab dem 01.08.2021 angepasst

V. Änderungen ab 01.12.2021

Pfändungsschutzkonto

  • Regelungen zum Pfändungsschutzkonto werden ab dem 01.12.2021 geändert
    • § 850k ZPO wird geändert, §§ 899 ff. ZPO werden eingefügt
    • Klarstellung in § 36 Abs. 1 S. 3 InsO: Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter

D. Modifikationen durch das COVInsAG

  • Pandemiebedingte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
    • 01.03.2020 - 30.09.2020: § 1 Abs. 1 S. 1, 2 COVInsAG
    • 01.10.2020 – 31.12.2020: § 1 Abs. 2 COVInsAG (nur wegen Überschuldung)
    • 01.01.2021 – 31.01.2021: § 1 Abs. 3 COVInsAG (bei Antrag auf staatliche Hilfeleistung bzw. Antragsberechtigung)
  • Folgen der Aussetzung: § 2 COVInsAG
    • Abs. 1 Nr. 1: „keine 64 S. 2 GmbHG-Haftung“
    • Abs. 1 Nr. 2: Rückgewähr neuer Kredite (auch Gesellschafterdarlehen) und Sicherheitenbestellung für neue Kredite nicht gläubigerbenachteiligend
    • Abs. 1 Nr. 4: konkruente Rechtshandlungen und gleichgestellte Handlungen ggf. nicht anfechtbar
    • Nr. 2 und 4 gelten auch für nicht antragspflichtige Unternehmen und für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind
  • Eröffnungsgrund muss bei zwischen dem 28.03.2020 und dem 28.06.2020 gestellten Gläubigerinsolvenzanträgen bereits am 01.03.2020 vorgelegen haben
  • Bei Überschuldung: Fortführungsprognose für die nächsten vier Monate zwischen dem 01.01.2021 und 31.12.2021, wenn die Überschuldung auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist, § 4 S. 1 COVInsAG
  • Anwendbarkeit des bisherigen Rechts der Eigenverwaltung bei Anträgen zwischen 01.01.2021 und 31.12.2021, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf Corona-Pandemie zurückzuführen ist, § 5 COVInsAG
    • Zugang zum Schutzschirmverfahren bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit, wenn diese auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist, § 6 COVInsAG

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